24
JAHRE
150+
STÄDTE
350+
BILDPAARE
BANKSICHTEN
Eine stille Topologie des öffentlichen Blicks (est.2001)

Ein Langzeitprojekt über das Verhältnis von Platzierung und Perspektive, von Zweck und Zwecklosigkeit, von Architektur und Erwartung. Zwischen anthropologischer Geste und künstlerischer Setzung. Was bedeutet es, eine Bank aufzustellen?
Diese scheinbar banale Handlung – eine horizontale Fläche mit Lehne im öffentlichen Raum zu verankern – evoziert bei näherer Betrachtung einen hochkomplexen Bedeutungsraum. Zwischen Einladung und Kontrolle, Aussicht und Absicht, Nutzwert und symbolischem Gesteig erstreckt sich ein kulturelles Feld, das von Banksichten kartografiert wird. Dieses Werk ist kein Katalog von Orten, sondern eine Untersuchung des Sehens selbst – eine stille Archäologie unserer Gegenwart, geführt aus der Perspektive des Sitzenden, des Schauenden, des Verweilenden. Mehr als 350 Bildpaare – jeweils eine Bank, flankiert von ihrer jeweiligen Blickachse – bilden die Grundstruktur dieses Projekts. Entstanden über zwei Jahrzehnte, ist Banksichten ein dokumentarischer Kosmos und zugleich ein poetischer Widerstand gegen funktionalistische Lesarten des öffentlichen Raumes.
„Vielleicht ist es der Mensch, der sich beim Sitzen selbst begegnet –
nicht weil er ruht, sondern weil er sieht, was sonst an ihm vorbeizieht.“
_Fundament
"Die Bank ist das Gegenteil des Weges : Sie verweilt, wo der andere sich bewegt. Sie ist Behauptung im Raum, nicht Mittel zum Zweck."
In der westlichen Tradition wird das Sitzen häufig als untergeordneter Akt betrachtet – als Zwischenraum von Tätigkeiten, als Vorstufe zur Handlung oder als deren Ermüdung. Banksichten kehrt diese Hierarchie um: Hier ist das Sitzen der Anfang aller Betrachtung. Die Position einer Bank ist nie neutral. Sie trifft eine Wahl: Wohin der Blick sich richten soll. Doch wer trifft diese Wahl? Der Mensch, die Kommune, der Zufall, das Gelände? Und warum zeigen so viele Bänke auf Hecken, Zäune, Abhänge – statt auf das Schöne, das Offensichtliche? In dieser scheinbaren Irrationalität offenbart sich ein tieferer Sinn: Banksichten entlarvt die Ruinen absichtsloser Planung ebenso wie die poetischen Versprengungen eines kollektiven Unbewussten. Die Bank wird so zur Chiffre einer gesamtgesellschaftlichen Selbstverortung – mal gelungen, mal gescheitert, stets bedeutsam.
_Kontext & Rezeption
Banksichten steht in der Linie konzeptueller Bildserien des 20. und 21. Jahrhunderts – etwa in der Methodik der Bechers, der radikalen Alltagsarchäologie einer Sophie Calle oder der Topografiekritik von Robert Adams. Doch es verlagert den Fokus: Nicht das Objekt allein steht im Mittelpunkt, sondern
die Relation von Objekt und Ausblick, von Sitzfläche und Sichtfeld.
Diese Relationen eröffnen Fragen nach Öffentlichkeit, nach Kontrolle und nach dem ästhetischen Maßstab, der unsere Umwelt gestaltet. Was ist ein „schöner“ Ort? Wer entscheidet über Bedeutung im öffentlichen Raum? Und was bleibt von einer Stadt sichtbar, wenn man sich hinsetzt, statt zu durchqueren?
_Kontakt
Für Sammler:innen, Kurator:innen, Philosoph:innen des Raums und Unterstützer:innen einer anderen Form der Kartografie steht das Projekt offen.
- Kontakt: kurator@banksichten.de
- Ort des Archivs: Schaumburg, Deutschland
- Projektleitung: Marko Deutschkämer – Künstler, Raumforscher, Kurator der Aussicht
_Ein Appell an die Rückkehr zur Aufmerksamkeit
Die Welt ist voller Setzungen – architektonischer, sozialer, symbolischer Art. Banksichten ruft dazu auf, die „Banalitäten des Raumes“ nicht mehr als Hintergrundrauschen zu betrachten, sondern als sprechende Zeichen einer kollektiven Praxis. Die Bank wird zur Metapher für das, was wir unbeachtet belassen, obwohl wir es geschaffen haben.
„Jede Bank ist ein Satz in der Sprache der Stadt. Doch wir lesen nicht mehr, was wir schreiben.“
_Ein Appell zur Entschleunigung
Sitzen – im öffentlichen Raum – ist ein Akt der Verweigerung gegenüber der Logik des Immer-Weiter. Banksichten macht diesen Moment sichtbar und kultiviert eine neue Form der Raumethik: den Mut, nicht nur zu gehen, sondern zu verweilen, nicht nur zu nutzen, sondern zu empfinden. Es ist ein Appell an das Recht auf Unproduktivität im öffentlichen Leben.
„Wer sitzt, zeigt: Ich bin da – nicht als Käufer, nicht als Passant, sondern als Mensch.“
_Ein Appell an die Verantwortung des Gestaltens
Bänke erscheinen oft willkürlich, beiläufig, ohne konzeptionelle Handschrift. Doch gerade darin liegt das Unbewusste der Gesellschaft offen. Banksichten ruft dazu auf, sich dieser Verantwortung zu stellen: Was sagt eine Gesellschaft über sich selbst aus, wenn sie zeigt, wohin der Mensch schauen soll, wenn er sitzt?
„In jeder Blickachse steckt ein Weltbild. Und jede Bank ist ein Kompass, den wir aufstellen –
für andere, ohne sie zu fragen.“
_Ein Appell an das Öffentliche im Öffentlichen Raum
Die Frage, wo man sitzen darf – und was man von dort aus sieht – ist auch eine Frage nach Macht, nach Zugang, nach kultureller Intelligenz im Städtebau. Banksichten fragt: Wem gehört der Blick? Wem gehört die Zeit zum Verweilen? Wem gehört der Raum zwischen den Zwecken?
„Der Blick, den eine Bank erlaubt, ist auch der Blick, den sie verwehrt.“
_Ein Appell zur ästhetischen Selbstvergewisserung
Zuletzt ist Banksichten auch ein ästhetischer Appell: Haben wir verlernt, Schönheit zu setzen? Oder suchen wir Schönheit nur dort, wo sie markiert ist – und übersehen sie dort, wo sie leise wohnt? Die Serie ruft uns auf, eine neue Schulung des Sehens zuzulassen – ein Sehen jenseits des Fotografierbaren, jenseits des Spektakels.
„Wer sich setzt, entzieht sich der Inszenierung – und erkennt sie gerade deshalb.“